Mapping the Archive

Visualisierung und Vermittlung des audiovisuellen Archivs des Berliner Künstlerprogramms des DAAD / Visualizing and Communicating the DAAD Artists-in-Berlin Program Audiovisual Archive

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Stephen Willats

Leben in vorgegebenen Grenzen - 4 Inseln in Berlin

(1980)
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    Ladengeschäft an der Ecke Uhlandstraße / Lietzenburger Straße, 10719 Berlin-Wilmersdorf 07:16
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    Schrebergartensiedlung zwischen dem S-Bahnhof Westkreuz und der Heilbronner Straße, 10711 Berlin-Halensee 09:26
  • 3
    Märkisches Viertel 11:33
  • 4
    Gropiusstadt 10:22
Stephen Willats

Archival digital copy / Archivdigitalisat (Compact Cassette), duration variable (four single cassettes) / Laufzeit variabel (vier einzelne Kassetten)
Archiv des Berliner Künstlerprogramm des DAAD © Stephen Willats

„Als ich im April 1979 in West-Berlin ankam, um mein DAAD-Stipendium anzutreten, stellten sich sofort zwei grundlegende 'logistische' Probleme. Vor allem hatte ich darauf zu achten, dass ich mich mit den verschiedenen Westberliner Bezirken vertraut machte und zwar ziemlich rasch, so dass ich Kontexte auswählen könnte, die für mein Werk wahrscheinlich ertragreich sein würden. Zweitens musste ich zu den ausgewählten Kontexten Zugang finden und Leute aussuchen, die daran interessiert wären, mit mir zusammen an einem Werk zu arbeiten, das sich um sie selber drehte. Das erste Problem löste ich, indem ich einen Wagen mietete und fünf Tage durch West-Berlin fuhr. (...)

Auf meiner fünftägigen Erkundungsfahrt boten sich drei der vier Kontexte, die ich schließlich verwendete, mehr oder weniger von selbst an. Die riesigen modernen Wohnanlagen im Märkischen Viertel im Norden und in Gropiusstadt im Süden waren evidente Manifestationen einer institutionellen 'neuen Realität'. Beide Anlagen waren das Ergebnis der Entwürfe international bekannter Architekten und Planer, die nach Berlin geholt wurden, um diese ganz speziellen Umgebungen - eindeutige Statussymbole - zu schaffen. Gemessen an meiner Erfahrung in England - dort gibt es sicherlich nichts von vergleichbarer Größenordnung -, waren es sehr große Anlagen. Auch schien es, als hätten die Planer die Gelegenheit erhalten, eine autoritäre Totalität zu schaffen, die sie von den umliegenden Bezirken schied. Ein weiterer Kontext, ganz verschieden von den beiden eben erwähnten, aber ebenso evident, waren die Schrebergärten, die man auf jedem möglichen ausgesparten Flecken Land sehen kann. Die Gärten sind meiner Ansicht nach mächtige Symbole einer geplanten Flucht aus der urbanen Existenz, die einen in West-Berlin so vollständig einschließt, in den Frieden der Natur und in das Gefühl von Gemeinschaft, das das Zusammensein mit anderen Menschen auf der geschilderten Suche hervorbringt. Die Gärten befinden sich in Kolonien, die gewöhnlich mit einem Gemeinschaftshaus und einem Aufsichtskomitee aus Mietern versehen sind. Das Prinzip heißt Selbstorganisation. Während einige Kolonien gerade erst begründet wurden, reichen andere fünfzig Jahre oder länger zurück und haben Verbindungen zur Arbeiterbewegung.

Den vierten Kontext fand ich sehr viel später, nachdem ich neun Monate in Berlin gelebt hatte. Nach und nach nahm ich Notiz von den kleinen Kleiderboutiquen, die sich in der Nähe des Kurfürstendamms befinden und von denen manchen nur aus einem Raum bestehen. Die Verkäuferin sitzt im hinteren Teil des Ladens, aber die Auslage kann man von der Strasse aus sehen. Diese Läden sind überall im Westen ein Symbol modischer Kultur, aber in West-Berlin scheint ihnen eine besondere Bedeutung zuzukommen.“


– Stephen Willats in: Leben in vorgegebenen Grenzen. 4 Inseln in Berlin. Berliner Künstlerprogramm des DAAD und Nationalgalerie Berlin, Berlin 1980.

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